178
Dritte Periode des Mittelalters.
um vor dem kaiserlichen Arme sicher zu sein. Hierhin berief er (1245) eine Kirchenversammlung, und ohne auf Friedrichs Verteidiger Thaddäus von Suessa zu achten, erneuerte er den Bannfluch gegen den Kaiser in der strengsten Form, nannte ihn einen Gotteslästerer, einen Feind der Kirche und heimlichen Mohammedaner, entband seine Unterthanen ihres Eides und bedrohte alle, die ihm ferner anhingen, mit dem Fluch der Kirche. Damit loderte der Streit zwischen Papst und Kaiser von neuem auf. Als Friedrich die Kunde vernahm, rief er zornvoll aus: „Mich hat der Papst und seine Versammlung abgesetzt? Bringt mir her meine 7 Kronen, damit ich sehe, ob ich sie wirklich verlor!" Man brachte sie herbei, die deutsche Königskrone , die römische Kaiserkrone, die eiserne von Lombardiert, die Kronen von Sizilien, Burgund, Sardinien und Jerusalem. „Noch habe ich sie", ries Friedrich aus, „und kein Papst, kein Konzil soll sie mir ohne blutigen Kampf rauben!"
Der Papst bot die Kaiserkrone dem Bruder des französischen Königs Ludwigs Ix. an. Allein Ludwig fchlug sie für feinen Bruder aus. Ein Prediger in Paris, welcher den Bann von der Kanzel verlesen mußte, that dies mit den Worten: „Daß zwischen dem Papste und dem Kaiser Streit ist, wissen wir: wer aber recht hat, wissen wir nicht. Mir ist besohlen, gegen den Kaiser den Bann zu sprechen. Ich spreche ihn hiermit gegen den, auf dessen Seite die Schuld ist; dem Unschuldigen gebe ich die Absolution."
Die Gegenkönige. In Deutschland kehrte sich keiner der weltlichen Fürsten an den Bannfluch, welchen der Papst ausgesprochen hatte; dagegen wählten die drei geistlichen Fürsten am Rhein, voran der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden*), 1246 den Landgrafen Heinrich Raspe von.thüringen zum König und krönten ihn zu Aachen. Allein die Bestrebungen des Papstes, dem Gewählten Geltung und Ansehen zu verschaffen, blieben ohne Erfolg. Von Konrad, Friedrichs Sohn, hart bedrängt und bei Ulm schwer verwundet, mußte er sich auf seine Wartburg zurückziehen, wo er 1247 an seiner Wunde starb. Auch der zweite Gegenkönig, der junge Gras Wilhelm von Holland, konnte zu keinem Ansehen im Reiche gelangen, da die meisten weltlichen Fürsten samt den Reichsstädten auf Konrads Seite beharrten. Dagegen mehrte sich unter ihm das Faustrecht übermütiger Raubritter, es wurden Reichs-
*) Unter ihm wurde 1248 der Grundstein zu dem Kölner Dom gelegt, der 1880 vollendet worden ist.
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38, 2. Friedrich Iii.
251
kürzeste von allen; zudem beschäftigte ihn sein Erbland Ungarn so sehr, daß er weder den Landfrieden im Reiche aufrecht erhalten, noch die Krönung an sich vollziehen lassen konnte. Auf einem Feldzuge gegen die Türken erkrankt, erlag er der Ruhr und starb schon 1439.
2. Friedrich Iii. 1440-1493.
Auf die kürzeste aller Kaiserregierungen folgte die längste: Albrechts Vetter Friedrich Iii. wurde von den Kurfürsten in Frankfurt zum Kaiser gewählt. Eine unglücklichere Wahl hätte kaum getroffen werden können. Friedrich war zwar ein Mann voll guten Willens, aber ohne alle Thatkraft. Um Regierungsgeschäfte kümmerte er sich wenig, und es schien fast, als habe er die Krone nur angenommen , um seinen Lieblingsstudien Astrologie, Alchimie und Botanik nachhängen zu können. Im Staatsrate schlief er oft bei Beratung der wichtigsten Dinge ein; einmal entließ er den versammelten Landtag, um seine Blumen gegen den eintretenden Frost in Sicherheit zu bringen. Unentschlossenheit war seine größte Schwäche; dabei betrachtete er jede kräftig hervortretende Macht im Reiche mit Eifersucht und beugte sich doch wieder vor dem Papste. Die einzigen Pläne, die er verfolgte, waren auf die Vergrößerung der Macht des Hauses Habsburg gerichtet, von der er ohnehin schon eine so hohe Meinung hatte, daß er auf seine Bücher, Gefäße und Paläste die fünf Vokale a, e, 1, O, n setzen ließ und ihnen die Deutung gab: Alles Erdreich Ist Oestreich Unterthan. Und doch ist unter seiner Regierung die Macht des deutschen Kaisertums in den tiefsten Verfall geraten.
Zunächst vereitelte Friedrich die Hoffnungen, welche das Konzil zu Basel für eine Verbesserung der Kirche erregt hatte. Es waren dort Gesetze gegen verschiedene Mißbräuche erlassen und der Papst durch einen Eid verpflichtet worden, die Baseler Beschlüsse
anzuerkennen und für allgemeine Konzilien zu sorgen, welche in
Kirchensachen über dem Papste ständen. Diese Beschlüsse hatte auch
Albrecht H. gut geheißen, allein Friedrich Iii. ließ sich durch seinen schlauen Geheimschreiber, den Italiener Äneas Sylvius (nachmaligen Papst Pius Ii.) täuschen, er widerrief alle diese Verordnungen und sah ruhig zu, als der Papst das Konzil zu Basel aufhob. Zum Lohne hierfür krönte ihn 1452 der Papst, und er war der letzte in Rom gekrönte deutsche Kaiser.
Um die schweizer Besitzungen wieder zu gewinnen, die
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Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Frankfurt Habsburg Basel Basel Rom
§. 38, 2. Friedrich Iii.
253
1477), ein ehrgeiziger, thatkräftiger, aber unbesonnener Fürst, strebte darnach, sein Erbland, das sich bereits von den Alpen bis zu der Nordsee erstreckte, um die linke Rheinseite zu vermehren, Elsaß und Lothringen dazu zu erobern und Burgund zu einem Königreich zu erheben. Er hatte zu dem Zwecke 1473 eine Zusammenkunft mit Friedrich in. in Trier, wo er dessen Zustimmung zu seinen Plänen zu erlangen suchte, während Friedrich sich bemühte, Karls einzige Tochter Maria (§. 43, 12) für seinen Sohn Maximilian zu gewinnen, um so dem habsburgifchen Haufe Aussichten auf Burgund zu eröffnen. Da aber Friedrich forderte, daß die Vermählung Marias mit Maximilian noch vor Karls Krönung feierlich ausgesprochen werde, kam ein volles Einvernehmen nicht zu stände, und Friedrich reiste wieder ab. Als der Erzbischof Ruprecht von Köln abgefetzt und vertrieben worden war, ergriff Karl sogar gegen den Kaiser dessen Partei und belagerte 1474 die Stadt Neuß, die sich aber so tapfer verteidigte, daß er nach 11 monatlicher Belagerung sich mit dem Kaiser verständigte und Frieden schloß. Jetzt brach Karl auf, um Lothringen zu erobern und die Schweizer dafür zu strafen, daß sie in Süd-Burgund eingefallen waren. Er besiegte den Herzog Renatus von Lothringen, nahm dessen Hauptstadt Nancy ein und überschritt dann mit einem trefflich ausgerüsteten Heer den Jura, um in die Schweiz einzufallen. Er wurde aber bei Granson (3. Mai) 1476 überfallen und erlitt eine Niederlage und wurde daraus bei Murten (22. Juni) gänzlich in die Flucht geschlagen. Da der Herzog Renatus Lothringen unterdessen wieder eingenommen hatte, rückte Karl mit den Trümmern seines Heeres von neuem vor Nancy. Aber sein Lager wurde (5. Januar) 1477 gestürmt, und Karl mußte fliehen. Auf der Flucht wollte er über einen zugefrorenen Graben fetzen, aber die Eisdecke brach, und er wurde erschlagen. Als Ludwig Xi. von Frankreich daraufhin feine Hand nach Karls Ländern ausstreckte und die Bourgogne in Besitz nahm, rettete Karls Tochter Maria wenigstens die übrigen Teile dadurch, daß sie Friedrichs Sohn Maximilian die Hand reichte und damit dem Hause Habsburg einen neuen bedeutenden Gebietszuwachs brachte.
Im Innern des deutschen Reiches herrschte währenddessen grenzenlose Verwirrung. Zwischen den Großen und Städten tobten blutige Fehden, und das Faustrecht übte seine ärgsten Greuel; der Landfrieden, den der Kaiser gebot, blieb unbeachtet, der Vorschlag zur Errichtung eines obersten Gerichtshofes für das Reich wurde von ihm verworfen. Ohne daß der Kaiser eingriff, legte sich der Pfalzgraf
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§. 12, 5. Der große Kurfürst.
185
durch Schwarzenberg verleitet, dem Prager Frieden beitrat und kaiserliche Besatzung in seine Festungen nahm, fielen die Schweden sengend und brennend ins Land ein. Die Mark glich zuletzt einer Einöde, und der Kurfürst ging nach Preußen, das von dem verheerenden Krieg weniger gelitten hatte. Hier starb er 1640.
5. Die Regierung des großen Kurfürsten 1640—1688.
Friedrich Wilhelm der große Kurfürst hat den Grund zu Preußens Macht und Größe gelegt. Geboren 1620, wurde er in der unglücklichen Zeit des 30jährigen Krieges zuerst in Küstrin, dann bei dem pommerschen Herzog Bogislav Xiv. in Stettin in Sicherheit gebracht. 14 Jahre alt, besuchte er die Universität Leyden, wo er sich Sprach- und Geschichtsstudien widmete. Als man ihn später im Haag in das üppige Hofleben ziehen wollte, entzog er sich den Verlockungen mit den Worten: „Ich weiß, was ich meinem
Lande und mir selber schuldig bin", und eilte zu dem Prinzen Heinrich von Dr anten, der Breda belagerte. Dieser ries ihm bei seiner Ankunft zu: „Eure Flucht beweist mehr Heldenmut, als wenn ich Breda erobere". Unter diesem tüchtigen Fürsten bildete sich Friedrich Wilhelm zum Feldherrn und Staatsmann aus; er studierte die Bodenkultur und machte sich mit den Handels- und gewerblichen Unternehmungen des betriebsamen Landes bekannt. Auf Verlangen seines Vaters kehrte er dann, reich an Anschauungen und Kenntnissen, in sein Land zurück.
Als sem Vater 1640 starb, waren die Marken verarmt und verwüstet, die Festungen von Truppen besetzt, welche dem Kaiser den Eid der Treue geleistet hatten. Friedrich Wilhelm begann seine Regierung damit, daß er die bisherigen Truppen entließ und ein neues Heer von anfänglich 3000, dann 8000 Mann schuf, das ihm allein eidlich verpflichtet war. Nach Schwarzenbergs Ableben schloß er 1641 mit den Schweden Waffenstillstand und wußte den Kaiser Zu beschwichtigen. Im westfälischen Frieden setzte er seine Ansprüche auf Pommern, wo das herzogliche Haus mit Bogislav Xiv. 1637 ausgestorben war, wenigstens soweit durch, daß er Hinterpommern erhielt, und für das in schwedischem Besitz bleibende Vorpommern durch die Bistümer Magdeburg, Halberstadt, Minden und Kamin entschädigt wurde.
Als Karl X. von Schweden (§. 11, 2) bei seiner Thronbesteigung mit Polen in Krieg geriet und den Kurfürsten zur Teilnahme an demselben nötigte, bot sich Gelegenheit zur Befreiung Dst=
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§. 13, 4. Die fernere Regierung Friedrichs des Großen. 211
wo Klopstock und Leffing glänzten, wo feine Ruhmesthaten, bte nach Göthes Aussage „den ersten wahren und höheren Lebensgehalt in die deutsche Poesie" brachten, von Kleist, Ramler, Gleim u. a. besungen wurden, und Herder und Göthe auftraten.
In der äußeren Politik wußte der König dem Staate die gebührende Stellung als Großmacht zu verschaffen. Bei der ersten Teilung Polens 1772 (§. 14) wurde Preußen abermals vergrößert. Als Östreich nach dem Aussterben der jüngeren Linie des Hauses Wittelsbach Bayern (§. 14) zu erwerben suchte, trat Friedrich dagegen auf und schloß 1785 mit den bedeutendsten deutschen Fürsten zur Aufrechterhaltung der Reichsverfafsung den deutschen Fürstenbund.
Bis an sein Ende blieb Friedrich ein Muster treuer Pflichterfüllung, „der erste Diener des Staates". „Mein Stand", schrieb er, „verlangt Arbeit und Thätigkeit; mein Leib und mein Geist beugen sich unter ihrer Pflicht. Daß ich lebe, ist nicht notwendig, wohl aber, daß ich thätig bin." Die Mühseligkeiten des langen Krieges hatten seine Gesundheit früh zerrüttet. Die großen Anstrengungen, die er Geist und Körper zumutete, zehrten so an seiner Lebenskraft, daß er vor der Zeit alterte. Aber feine Energie hielt seinen Lebensmut trotz Gichtleidens ausrecht, und sein großer Geist wahrte sich die Ruhe des Philosophen. Lebensweise und Kleidung zeigten stets die alte Einfachheit. Er erschien meist in abgetragener Kleidung, ein dreieckiges Hütchen bedeckte das lockige, weiße Haar; an der linken Seite hing der kleine Degen. Von der Gicht gebeugt, schritt er daher, die Rechte aus einen Krückstock gestützt, den er auch zu Pserde nicht ablegte. Aus seinen großen, lebhaften Augen leuchtete ein feuriger Geist, und seltener Witz stand ihm zu Gebote; aus seinem Wesen sprach eine Leutseligkeit, die auch des Geringsten im Volke sich freundlich annahm und die Liebe seines Volkes in seltenem Maße gewann.
Als er am 17. August 1786 kinderlos starb, erbte sein Nesse Friedrichwilhelmll. einen blühenden Staat von fast 3600 Q.-M. mit 6 Mill. Einwohnern, der, bewundert von seinen Freunden, gefürchtet von feinen Feinden, allerwegen die untilgbaren Geistesspuren des großen Friedrich erkennen ließ.
§. 14. Maria Tlieresia uiitf Mepfi Ii.
Die Kaiserin Maria Theresia hatte beim Ableben ihres Vaters, des Kaisers Karl Vi. (1740), die Erfüllung der pragmatischen Sanktion durchgesetzt und ihrem Gemahl Franz I. (1745 bis
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§. 23. Friedrich Wilhelm Ii. u. Iii.
271
Königreich Holland, der Marschall Berthier das Herzogtum Neufchatel, Murat, welcher früher Koch gewesen, dann General und Schwager des Kaisers geworden war, das Großherzogtum Kleve und Berg am Niederrhein. Auch in Deutschland schaltete er ganz als unumschränkter Herr über Fürsten und Völker. Sein Wille war höchstes Gesetz. Spione hinterbrachten, wer eine andere Meinung zu haben wagte. Der Nürnberger Buchhändler Palm hatte eine Flugschrift „Deutschlands Erniedrigung" versandt. Er wurde (1806) plötzlich von französischen Gendarmen ergriffen und, da er den Verfasser nicht nennen konnte, erschossen.
§. 2z. fkeujjens dnucdngting.
Friedrich Wilhelm Ii. 1786 — 1797. Nach Friedrichs des Großen Tode folgte Friedrich Wilhelm Ii., Sohn August Wilhelms (t 1758), des ältesten Bruders Friedrichs Ii., auf dem preußischen ^hron. Er war von milder und wohlwollender Gesinnung, aber schwankenden Charakters und sinnlichen Wesens. Der unermüdliche rz'leiß und die weise Sparsamkeit seiner Vorgänger gingen ihm ab; die Verwaltung des Staates und des Heerwesens ruhten in fremden Händen und wurden nicht auf der früheren Höhe erhalten. Günstlinge und Frauen, vor allen die Gräfin Sichtertau, Tochter eines Kammermusikers, beherrschten den König. Zu Anfang seiner Regierung schaffte er die drückende Regie, sowie das Tabaks- und Kaffeemonopol ab und entließ die verhaßten französischen Beamten, mußte aber bald andere belastende Steuern an die Stelle setzen. Das unter Friedrich Ii. begonnene Gesetzbuch, das Allgemeine Landrecht, wurde beendigt und eingeführt. Als die von Frankreich eindringende „Aufklärung" das Volk in seinem Glauben schädigte und die sogenannte „Vernunftreligion" Gleichgültigkeit und Spott gegen die religiösen Wahrheiten hervorries, erließ der Minister Sböuner 1788 ein Religionsedikt, welches Geistlichen und Lehrern die Abweichung von den angenommenen Grundwahrheiten der christlichen Kirche verbot; die Veröffentlichung irreligiöser Schriften wurde untersagt. Hoffahrt und Verschwendung am Hos übten aber fortgesetzt einen verderblichen Einfluß auf das Volk aus, und die Kraft des Staates erschlaffte.
Die äußere Politik führte anfangs der unter Friedrich Ii. gebildete tüchtige Hertzberg, später ließ sich der König von persönlichen Stimmungen leiten. Als in Holland die republikanische
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§. 12, 5. Der große Kurfürst.
189
wesens, und der Feldmarschall Derfflinger, der, aus einer armen oberöstreichischen Bauernfamilie stammend, mit 16 Jahren bei dem böhmischen Grafen Thurn als Reiter eintrat, dann in Sachsen und Schweden diente, bis er in des Kurfürsten Heer trat und der Schöpfer der brandenburgischen Reiterei wurde.
Für die Bildung seines Volkes sorgte er, indem er Schulen anlegen liess, in Berlin eine Bibliothek gründete und in Duisburg eine reformierte Universität stiftete. Den konfessionellen Streitigkeiten, die zwischen den Lutheranern und Reformierten in heftiger Weise geführt wurden, trat er energisch entgegen. Die Geistlichen beider Konfessionen mußten sich durch Unterzeichnung eines Reverses verpflichten, die Zänkereien von der Kanzel herab zu meiden. Ties veranlaßte 1667 den lutherischen Geistlichen und Liederdichter Paul Gerhardt zur Niederlegung seines Amtes an der Nikolaikirche in Berlin.
Das häusliche Leben des großen Kurfürsten gestaltete seine Gemahlin Luise Henriette, Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Dräniert, zu einem friedlichen und glücklichen. Er hatte sich 1646 mit ihr vermählt, nachdem der Versuch, die Hand seiner Verwandten Christine von Schweden (§. 7,11), der Tochter Gustav Adolfs, zu erhalten, an deren Abneigung gegen jede Verheiratung gescheitert war. Luise Henriette war eine fromme, geistvolle und mildthätige Fürstin, eine treue Ratgeberin des Fürsten und stete Begleiterin bei seinen Reisen und Feldzügen. Durch die Gründung des Waisenhauses in Oranienburg, sowie als Dichterin des Liedes „Jesus, meine Zuversicht" hat sie sich ein bleibendes Andenken gestiftet. Nach ihrem Tode (1667) vermählte sich der Kurfürst (1668) mit Sophie Dorothea, Tochter des Herzogs von Glücksburg und Witwe des Herzogs von Lüneburg. Die Sorge um die Kinder ihrer Ehe brachte Eifersucht und Unzufriedenheit in das kurfürstliche Haus. Als der Kurfürst den Söhnen zweiter Ehe brandenburgische Gebietsteile testamentarisch vermachte, wandte sich der aus erster Ehe stammende Kurprinz Friedrich dem Kaiser zu und ließ sich zur Wahrung seiner Erbrechte zu dem Versprechen verleiten, nach seinem Regierungsantritt den Kreis Schwiebus dem Kaiser zurückzugeben. Der große Kurfürst starb 1688. Er hinterließ einen Staat von 2000 Q.-Meilen und V/g Mill. Einwohnern mit sicheren Fundamenten, auf welchen seine Nachfolger weiter bauen konnten. Als Friedrich der Große 1750 am Sarge des großen Kurfürsten stand, sagte er bewegt zu den Umstehenden: „Messieurs, der hat viel gethan".
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198
Zweite Periode der Neuzeit.
?,vrist kehrte Friedrich 1733 nach Berlin zurück und war fortan des Königs „lieber Fritz".
Friedrich vermahlte sich auf den Wunsch feines Vaters, nicht nach eigener Wahl und Neigung, mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunfchweig-Bevern (§. 17, 9), einer Nichte der Gemahlin Kaiser Karls Vi., und bezog das für ihn angekaufte, neu eingerichtete Schloß Rheinsberg bei Ruppin. Hier konnte er feinen Lieblingsneigungen hulbigen. Er belehrte sich durch persönlichen und schriftlichen Verkehr mit den ausgezeichnetsten Männern der bamaligen Zeit und begann seine schriftstellerische Thätigkeit^ Zugleich erfreute er feinen Vater durch ein so vortrefflich ausgetobetes Regiment, daß ihn der König vor der Fronte umarmte Als Friedrich Wilhelm fein Ende nahe fühlte, ließ er den Kronprinzen aus Rheinsberg rufen und unterhielt sich mehrere Stunben ohne Zeugen mit ihm. Er starb in dem Bewußtsein, daß er den Mühenben Staat einem roürbigen Nachfolger hinterlasse.
2. Friedrich Ii. der Große als König von Preußen.
Als Friedrich im 28. Jahre seines Lebens die Regierung übernahm, gab er feinen Ministern solgenbe hochherzige Erklärung, welche die Richtung seines Lebens geworben ist: „Ob Wir euch gleich sehr banken wollen für die treuen Dienste, welche ihr Unsers Höchstgeliebtesten Herrn Vaters Majestät erwiesen habt, so ist boch ferner Unsere Meinung nicht, daß ihr uns inskünftige bereichern und Unsere armen Unterthanen unterbrücken sollet, fonbern ihr sollet hiergegen verbunben fein, vermöge gegenwärtigen Befehls mit ebenso vieler Sorgfalt für das Beste des Landes, als für Unser Bestes zu wachen, um so viel mehr, als Wir keinen Unterschieb wissen wollen zwischen Unserem eigenen befonberen und des Landes Vorteil, und ihr biefen sowohl als jenen in allen Dingen vor Augen haben müsset; ja des Landes Vorteil muß den Vorzug vor Unserem eigenen befonberen haben, wenn sich beibe nicht miteinanber vertragen." Ebenso bedeutungsvoll waren zwei Erlasse, welche die Aushebung der Folter bei Kriminaluntersuchungen und die weiteste Übung religiöser Dulbung geboten. „In meinen Lanben soll jeber nach seiner Fayon selig werben", erklärte der König.
Im gleichen Jahre, als Friedrich den Thron bestieg, starb Kaiser Karl Yi. (1711—1740). Die Regierung bieses Fürsten hatte Deutschland keinen Gewinn gebracht, benn sein Streben war nur
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§. 13, 2. Friedrich der Große als König von Preußen. 203
unter glänzenden Bedingungen an seinen Hof berufen hatte, gesteht ein, obwohl er sonst nicht immer günstig Joon Friedrich redet, daß diese Abendgastereien wahre Sokrateische Gastmähler gewesen seien. Nach dem siebenjährigen Kriege versagte sich der König aus Rücksichten für seine Gesundheit das Mahl vor der nächtlichen Ruhe; schon 1760 schrieb er selbst: „Mein Gesicht ist runzlig wie die Falbel an einem Weiberrock, mein Rücken gekrümmt, wie bei einem Trappisten, nur das Herz ist unverändert."
Aus feinen häufigen Reifen erkundigte er sich genau nach allen Verhältnissen. Die Amtleute, Landräte und Postmeister mußten neben dem Wagen reiten und von ihren und des Landes Angelegenheiten sich mit ihm unterhalten. Mit Bürgern und Bauern redete er freundlich und herablassend, gegen vornehmere war er kurz und zurückhaltend. Eigenmächtige Handlungen mißbilligte er, und Bauern, welche von ihren Amtleuten oder Herren hart behandelt wurden, hatten in ihm einen eifrigen Beschützer. Die Künste des Friedens pflegte Friedrich, so viel ihm möglich war. Berlin und Potsdam verschönerten sich von Jahr zu Jahr durch neue Bauten; er ließ zu Berlin das Opernhaus errichten, die erforderlichen Sänger und Tänzer kommen, die Bibliothek und Münzsammlung erweitern und Gemälde und Kunst-gegenstände ankaufen. Das fchöne Schloß Sanssouci bei Potsdam ist seine Schöpfung und bildete nach den Kriegen seinen Lieblingsaufenthalt.
4. Der siebenjährige Krieg 1756—1763.
Maria Theresia und Elisabeth von Rußland betrachteten das Auskommen Preußens mit Mißtrauen und Neid. Der sächsische Minister Gras Brühl schürte diesen Haß und brachte zwischen beiden Kaiserinnen einen Bund zustande, worin sich Rußland verpflichtete, der Kaiserin Maria Theresia zur Wiedererwerbung Schlesiens behilflich zu fein. Durch den bestochenen sächsischen Kanzlisten Menzel erfuhr Friedrich, daß feine Gegner Preußen auf sein früheres unbedeutendes Gebiet zurückzuführen und den König wieder zu einem einfachen Markgrafen von Brandenburg zu machen beabsichtigten. Um des Erfolges gewiß zu fein, verband sich Maria Theresia auf den Rat ihres Ministers Kaunitz auch mit dem schwachen, unselbständigen König Ludwig Xv. von Frankreich, der sich zu allem von der berüchtigten Marquise von Pompadour (§. 18, 5) verleiten ließ. Diese war auf Friedrich übel zu sprechen, da derselbe
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Potsdam Berlin Potsdam Schlesiens Brandenburg